Match made in heaven: Museum und Kita

Match made in heaven: Museum und Kita
© Pexels/Scott Web

Ein Gespräch mit Iman Reimann, der pädagogische Leitung der Regenbogen-Kidz in Berlin-Charlottenburg, über Best Practice Beispiele der frühen kulturellen Bildung.

Noch bevor wir erfahren, wer Du bist und was Du machst, möchte ich Dich fragen: Welche Adjektive fallen Dir als erstes ein, wenn Du an frühkindliche kulturelle Bildung denkt?

Iman Reimann: Spontan, lustig, neugierig. Die Spontanität der frühkindlichen kulturellen Bildung gefällt mir, denn nicht immer muss alles strikt nach Plan verlaufen. Stattdessen sollten wir uns Zeit nehmen und die Dinge auf uns zukommen lassen. Ich finde es schön, zu schauen, wohin sich eine Sache entwickelt. Neugierig habe ich gewählt, weil wir in der frühkindlichen kulturellen Bildung immer die Möglichkeit haben, nach neuen Dingen Ausschau zu halten und offen an die Sachen heranzugehen. Das heißt man kann neugierig auf die Menschen sein, mit denen man zusammenarbeitet und darauf, was sie anbieten. Und generell sind Kinder ja neugierig und wollen schauen, was in ihrer Umwelt passiert. Und lustig … In der frühkindlichen kulturellen Bildung kann man auch unheimlich viel Spaß haben.

Jetzt ein paar Worte zu Dir: Was machst Du? Was ist Deine Motivation, Dich für frühkindliche kulturelle Bildung einzusetzen?

Ich bin seit 2006 die pädagogische Leitung der Regenbogen-Kidz in Charlottenburg und seit anderthalb Jahren auch die Vorsitzende. Ich habe es von Anfang an als großartige Möglichkeit erlebt, sehr frei arbeiten zu können. Das hat uns im Team viel ermöglicht. Im Bereich der frühkindlichen kulturellen Bildung bin ich schon lange dabei. Denn wir als Erwachsene müssen verstehen, dass Kinder nicht nur Nutznießer:innen eines Angebots sind, sondern dass diese Angebote ihr Aufwachsen ausmachen. Mir als Leiterin ist es außerdem sehr wichtig, dass ich mit meinem Team zusammenarbeite und sie inspiriere, diesen Weg der frühkindlichen kulturellen Bildung zu gehen.

Ich hab auch ein persönliches Interesse an Kunst und Kultur, dem Explorieren und dem Erkunden der Umwelt. So hab ich früh für meine Kita Regenbogen-Kidz festgelegt, dass sich unsere Kinder als Berliner:innen begreifen sollen. Klar haben wir in unserer Kita den Schwerpunkt des muslimischen Aufwachsens, aber die Kinder sollen sagen können: Ich bin ein:e muslimische:r Berliner:in. Sie sollen später aktive Erwachsene werden und erkennen, was ihre Möglichkeiten sind. Und nicht diese beiden Dinge voneinander treffen müssen. Sie sollen von Anfang an erkennen, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind, dass sie Zugänge haben, Dinge ausprobieren und dadurch eben auch mitgestalten können. Das ist mir sehr wichtig.

© privat

Wie integriert Deine Kita frühkindliche kulturelle Bildung?

Wir hatten das Glück, dass wir über einen Zeitraum von über zehn Jahren im Projekt Kunst und Spiele* mit einigen Berliner Museen zusammenarbeiten konnten. Dadurch konnten unsere Kinder neue Orte für sich erobern. Und dadurch, dass wir die Angebote auch in die Kitas geholt haben, stellte es immer eine Verknüpfung dar. Die Kinder haben gesehen, dass die Leute, die sie aus den Museen kannten, auch in die Kitas kommen. Das empfand ich als wertvolle Verknüpfung von Personen, Orten und Angeboten. Die Kinder wurden sehr gestärkt; sie sind selbstbewusst geworden. Und auch die Pädagog:innen konnten sich ausprobieren, zum Beispiel beim Projekt Kino Arsenal**.

Was ist das für ein Projekt, Kino Arsenal?

Das Projekt Kino Arsenal läuft bei uns seit einigen Jahren; immer wiederkehrend, auch durch Projektförderungen. Dort arbeiten wir mit einem Künstler:innenteam zusammen, für die es anfangs auch etwas Neues war, mit Kindergartenkindern zusammen zu arbeiten. Gemeinsam haben wir auf 16-mm-Filme gekratzt und gemalt, Klänge sowie Geräusche gesammelt und dadurch unseren Film vertont, einen Trickfilm erstellt, waren im Filmarchiv und so weiter. Da waren sehr viele unterschiedliche Sachen dabei. Beim Projekt Kino Arsenal hatten wir selbst auch Lust auf die Ideen. Und wir haben gesehen, wie die Kinder reagieren und wie man als Pädagog:in bestmöglich begleiten und Impulse setzen kann.

Generell ist es viel wert, wenn die Kinder mit den Künstler:innen im direkten Kontakt sind, wie bei Kino Arsenal. Dann können die Kids das Professionelle kennenlernen, die Geschicklichkeit und das Wissen, wie man zum Beispiel mit Material umgeht, und werden trotzdem in ihrem Tun nicht permanent korrigiert. Stattdessen werden sie auf der Reise mitgenommen und sehen am Ende ein Produkt, dass sie selbst her- oder mitgestaltet haben. Es ist sehr besonders für die Kinder, wenn sie zum Beispiel in einem Kino das sehen, was sie selbst gemacht haben. Und diese Erfahrungen können wir als Pädagog:innen auch wieder in den Kindergarten mit reinnehmen. Wir können dann selbst Sachen mit den Kindern machen und werden sicherer im Kunstbereich.

Hast Du noch andere Beispiele frühkindlicher kultureller Bildung, die Ihr in der Kita Regenbogen-Kidz umgesetzt habt?

Wir sind aktuell auch im Projekt Kreative Kita 2.0. Dort haben wir noch einmal etwas anderes gemacht, nämlich indem wir mit einem Künstler unsere nähere Umgebung erobert haben. Mit den Kindern rauszugehen und den Nahraum zu verändern – zum Beispiel in Form einer Bank – zeigt den Kindern, dass auch sie Sachen gestalten können. Wie nehmen Kinder ihre Umwelt wahr? Wie sieht eine Straße aus? Wo gehen die Wurzeln der Bäume lang? All diese Fragen zu betrachten und das künstlerisch zu begleiten, das ist eine schöne Sache. Und oft auch lustig, durch all die Situationen, die sich dann ergeben.

Hast Du ein Lieblingsprojekt? Also ein Projekt, das sehr gut funktioniert oder das die Kinder besonders genossen haben?

Über die Jahre haben wir schon echt viele Projekte umsetzen können. Besonders schön fand ich unsere Kooperationen mit Museen. Wir waren zum Beispiel einmal im Bode-Museum. Dort sind ja sehr viele Skulpturen und wir waren in einem Raum, indem Altäre ausgestellt waren. Eigentlich ist der Raum ziemlich düster. Und generell ist man an so einem Ort ja erstmal sehr andächtig, egal ob nun gläubig oder nicht. Wir haben dann allerdings Musik abgespielt und die Kinder konnten sich mit Stoffen bewegen und ausdrücken. Wir haben uns also diese Räume durch die Materialien angeeignet. Es standen nicht die Objekte im Fokus, die waren einfach da. Eine Künstlerin hat dann vor Ort eine Performance inszeniert, wobei die Kinder, ganz spontan und frei, eine Skulptur nachmachen sollten. Das hat mir sehr gefallen. Also der Gedanke, sich Orte mit einer ganz anderen Zielsetzung zu erobern.

Ein anderes Mal waren wir im Museum für Islamische Kunst, haben uns mit Teppichen beschäftigt und mit Materialien vor Teppichen gewebt. Da waren die Materialien erst einmal ausschlaggebend und nicht die Teppiche, die an der Wand hingen. Aber alles korrespondiert ja miteinander. Es ist immer spannend zu sehen, wie die Kinder sich die Räume zugänglich gemacht haben. Und zu erleben, was das mit den Kindern macht, das hat mich wirklich gefreut. Denn bei all diesen Museumsbesuchen waren eher die Kinder im Fokus und wir Erwachsene waren Impulsgeber:innen.

Kannst Du diese Museumskooperation noch genauer beschreiben?

Wir hatten insgesamt vier Termine: Museum – Kita – Museum – Kita. So wurden die Themen der Museen auch im gewohnten Ort, nämlich der Kita, eingebracht. So haben die Kinder gemerkt, dass nicht nur an einem bestimmten Ort alles möglich ist, sondern dass man Orte auch wechseln kann. Beim Thema Teppich hatten wir zum Beispiel einen großen Webrahmen, sodass wir mit den Materialien aus dem Museum auch in der Kita weiterarbeiten konnten. Außerdem hatten wir viele Teppiche im Kindergarten und haben die genutzt. Und im Anschluss an den Besuch im Bode-Museum haben wir versucht, die Bewegungselemente von dort, hier wieder aufzugreifen. Wir haben die Stoffe genutzt und überlegt: Wie fühlt sich das an? Was macht das mit uns? Letztendlich wurden die Elemente der Museen immer in der Kita erneut aufgegriffen.

Zudem wurden die Kinder zu Einladenden. Denn in der Kita sind ja nicht die Kinder Gast, sondern sie können den Künstler:innen zeigen, wie es bei ihnen aussieht. Normalerweise erwarten wir Erwachsenen immer ein bestimmtes Verhalten von Kindern in Kulturräumen. Doch in der Kita ist manchmal eine etwas lockere Atmosphäre möglich, auch wenn bestimmte Regeln des Museums, des Kinos oder des Orchesters gleich bleiben. Dabei muss meiner Meinung nach allerdings immer die Freude im Vordergrund stehen und nicht das Regelwerk.

Denkst Du, dass man die Grundidee, nämlich sich einen umgebende Räume per Kunst oder Bewegung anzunähern, auch auf andere Räume übertragen kann?

Auf jeden Fall.

Was gilt es bei Kooperationen mit Kulturinstitutionen und Museen zu beachten?

Ich finde es super, wenn man sich vorher schon einmal kennenlernt. Man kann oft etwas buchen und geht dann einfach hin. Doch dadurch fängt die Verbindung der Erzieher:innen und der Künstler:innen erst dann an, wenn der Termin steht. Es ist immer besser, schon vorher Erwartungen oder Bedürfnisse zu besprechen. Ich persönlich bin generell eine Verfechterin der Selbsterfahrung. Das heißt wenn in Formaten angestrebt wird, dass Pädagog:innen Dinge selbst ausprobieren und integriert werden. Das fördert auch die eigene Bereitschaft, die Kinder im Prozess zu begleiten.

Klar ist: Formate der frühkindlichen kulturellen Bildung sind eine andere Art der Darbietung von Kunst und Kultur. Man kann vielleicht nicht direkt Ergebnisse und Erfolge messen. Zudem sind die Angebote meist auf kleinere Gruppen zugeschnitten, also auf acht bis höchstens zehn Kinder. Natürlich hat man dann nicht die gleichen Einnahmen wie mit zwanzig Kindern. Dafür sind die Angebote allerdings langfristig viel effektiver und können mehr in die Tiefe gehen.

Was sind denn konkrete Vorteile gegenüber „klassischen“ Museumsformaten für Kinder?

Die Formate, zum Beispiel beim Kino Arsenal, sind inklusiver. Normalerweise läuft vieles über Sprache und selbst wenn die Kinder gut deutsch sprechen, gehen die Fragen oft an den Kindern vorbei. Letztendlich sollte es nicht darum gehen, Wissen abzufragen, sondern darum, die Kinder einzubinden. So läuft bei Kindern vieles über ihre Sinne: Es geht um Emotionen, sie wollen Dinge anfassen – solche Geschichten. Und all das hat in klassischen Formaten nicht unbedingt Raum.

Zum Abschluss wollen wir einmal in die Zukunft schauen: Wie müsste eine Welt aussehen, in der unser Netzwerk nicht mehr benötigt wird?

Wenn unsere Gesellschaft begriffen hat, dass kulturelle Bildung lebenswichtig ist. Und dass sich aus der kulturellen Bildung heraus alles andere ergibt. Der Stellenwert der frühkindlichen kulturellen Bildung ist noch nicht vorhanden. Es wird immer noch als Sparte verstanden; dabei ist es etwas, das uns unser Leben lang begleitet. Und erst wenn Politiker:innen, Verantwortungsträger:innen und die Gesellschaft verstanden hat, dass es sich lohnt, genau da rein zu investieren und frühkindliche kulturelle Bildung am Leben zu halten, dann braucht es das Netzwerk nicht. In so einem Fall wäre das Netzwerk wahrscheinlich „nur noch“ ein großartiges Austauschgremium.

 

*“Kunst und Spiele“ war ein Programm der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung Brandenburger Tor. Ziel war es, kleinen Kindern die Teilhabe an Kunst und Kultur zu ermöglichen und Kunst- und Kultureinrichtungen zu motivieren, die Allerkleinsten als eigenständiges Publikum wahrzunehmen. 

**“Kino Arsenal“: Das „Arsenal – Institut für Film und Videokunst“ ist eine Berliner Institution, die sich die lebendige Vermittlung internationaler Filmkultur zur Aufgabe gemacht hat. Dazu gehören auch die filmvermittelnden Programme des Arsenal Filmateliers für Kinder und Jugendliche.