Jung und diskriminiert

Jung und diskriminiert

Am 14. November diskutierten Netzwerkende und Nathalie Schlenzka von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur Diskriminierung junger Kinder und der Frage, was frühkindliche kulturelle Bildung dagegen tun kann. Das Gespräch war Teil von Stadt.Land.Kind, ein politisches Gesprächsformat des Netzwerk Frühkindliche Kulturelle Bildung.

Der Weltkindertag am 20. November rückt jedes Jahr die Rechte der Kinder in den Mittelpunkt. Dass diese Rechte oft nicht eingelöst werden, hängt mit vielfältigen Diskriminierungen zusammen, von denen Kinder betroffen sind. Schon im Kindergartenalter leiden Kinder unter Vorurteilen und Diskriminierungserfahrungen und werden davon beeinflusst. Verschiedene Diskriminierungsformen, wie Rassismus, Klassismus, Ableismus, Antisemitismus, Antiziganismus oder Adultismus prägen das Heranwachsen vieler Kinder, schaden ihrem Selbstwertgefühl und hindern ein positives Aufwachsen.

Umso wichtiger ist es, Diskriminierungsmechanismen zu verstehen und die Betroffenen und Angehörigen zu unterstützen, waren sich Nathalie Schlenzka (Antidiskriminierungsstelle) und die Netzwerkenden Ane Kleine-Engel (ANOHA – Die Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin), Christian Neumann (Deutscher Kinderschutzbund Landesverband Berlin e.V.), Iman Andrea Reimann (Kita Regenbogen-Kidz Berlin) und Matthias Rietschel (Das Übehaus Kray e.V.) einig. Gemeinsam tauschten sie sich aus – und vereinbarten eine weitere Zusammenarbeit.

Moderiert wurde das Gespräch von Kerstin Hübner (IU Research Center Kulturelle Bildung & Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung).

Diskriminierungen prägen die Lebenswelt der Kinder

Christian Neumann ist Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbund LV Berlin. Im Berliner Wedding betreut und fördert der Kinderschutzbund rund 1.000 Kinder, vor allem rund um den Leopoldplatz. „Die Lebenswelt unserer Kinder ist geprägt von multiplen intersektionalen Diskriminierungen“, sagte Neumann. Und auch Kita-Leitung Iman Andrea Reimann berichtete von vielfältigen Diskriminierungen, die ihre Kindergartenkinder mit vorwiegend Migrationshintergrund durchleben müssen.

Matthias Rietschel wiederum arbeitet vor allem musisch mit jungen Kindern. Er brachte das Thema Diskriminierungstraditionen ins Gespräch. Also der Fakt, dass oft mehrere Generationen derselben Familie diskriminiert werden. „Wir müssen noch sensibler für das Thema Diskriminierung werden. Denn Diskriminierungen fangen früh an und manchmal warten wir zu lange. Wir brauchen das frühe Eingreifen“, sagte der Musikpädagoge und Gründer des Übehaus Kray im Ruhrgebiet.

Kulturelle Bildung als Entwicklungsmotor

Wie also der Diskriminierungen junger Kinder entgegenwirken? Nathalie Schlenzka ist Leiterin des Referats Forschung und Grundsatzangelegenheiten bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Ihre Arbeit basiert u.a. auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Das AGG hilft Betroffenen von Rassismus, Sexismus, Ableismus und weiteren Diskriminierungsdimensionen gegen Diskriminierung vorzugehen. Die Antidiskriminierungsstelle fungiert dabei auch als Beratungsstelle. Gut zu wissen: Das Antidiskriminierungsgesetz schützt auch den Kita-Bereich, beispielsweise beim Zugang zu Kitas. So genießen auch schon junge Kinder Diskriminierungsschutz, betonte Schlenzka im Gespräch. „Natürlich lösen Gesetze nicht alles. Aber sie bieten eine Grundlage für Institutionen, um diskriminierungssensibel zu handeln“, erklärte Schlenzka.

Und inwiefern kann frühkindliche kulturelle Bildung einen Beitrag leisten? „Wir wollen diskriminierungsfreie Räume für Kinder schaffen. Dabei ist die frühkindliche kulturelle Bildung ein guter Zugang – auch für die Erwachsenen“, sagte Christian Neumann vom Kinderschutzbund. So birgt frühkindliche kulturelle Bildung, mit ihrer partizipativen, inklusiven und diskriminierungssensiblen Ausrichtung, großes Potential, um Kinder mit ihren Erfahrungen und Anliegen hörbar und sichtbar zu machen, sie zu empowern sowie Konflikte und Ideen miteinander auszuhandeln. „Für mich ist Kunst, Kultur und kulturelle Bildung ein Entwicklungsmotor für die Gesellschaft“, fügte Iman Andrea Reimann hinzu.

Es muss noch mehr getan werden

Antidiskriminierungsgesetze, Beratung und Unterstützung sowie Angebote der frühkindlichen kulturellen Bildung fungieren als wichtige Pfeiler im Kampf gegen die Diskriminierungen junger, marginalisierten Kinder. Doch es müsse noch mehr passieren, betonten alle Gesprächsteilnehmer:innen.

Es brauche ein Verständnis, dass Diskriminierung keine individuelle Sache ist, sondern auch eine strukturelle und institutionelle, sagte etwa Nathalie Schlenzka von der Antidiskriminierungsstelle. Auch die Auswirkungen von Diskriminierungen und das Recht, sich zu wehren, müssen weiter bekannt gemacht werden, meinte die Politikwissenschaftlerin. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes arbeitet u.a. viel mit Kampagnen im öffentlichen Raum (aktuelle Kampagne „Hab ich was gegen“: https://habichwasgegen.de/). Junge Menschen unter sechs Jahren waren bisher noch keine Adressat:innen. Hier bestehe noch Handlungsbedarf, so Schlenzka. Eine Erweiterung des bisherigen Antidiskriminierungsgesetz, etwa um den sozialen Status, empfindet die Referatsleiterin als wichtig.

Und auch Angebote und Anbieter:innen der frühkindlichen kulturellen Bildung sollen weiter selbstkritisch und in Bewegung bleiben, so die Netzwerkenden im Gespräch. Denn auch der Bereich der frühkindlichen kulturellen Bildung ist bisher nicht frei von Diskriminierungen. „Es gibt viele Vorannahmen, denen die Kinder und auch wir als Pädagog:innen begegnen. Und das bildet sich auch im kulturellen Bereich ab“, berichtete Iman Reimann. Doch um Kulturinstitutionen und ihre Angebote für junge Kinder weiter voranzubringen, braucht es eine Professionalisierung der frühkindlichen Bildung. Dahingehend waren sich auch die Netzwerkenden und Nathalie Schlenzka unbedingt einig.

Gemeinsam gegen Diskriminierung

Der Austausch des Netzwerks Frühkindliche Kulturelle Bildung mit Nathalie Schlenzka von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes war ein erster wichtiger Schritt. Die Teilnehmenden konnten viele Überschneidungen in ihrer Arbeit gegen Diskriminierung und für ein positives Aufwachsen von Kindern feststellen sowie beidseitig neue Impulse sammeln. Bei dem Gespräch im Rahmen des Formats Stadt.Land.Kind soll es nun auch nicht bleiben – eine weitere Zusammenarbeit ist in Aussicht.