Frühkindliche kulturelle Bildung ist im Alltag frühkindlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen noch lange keine Selbstverständlichkeit. Nicht selten fehlt es an fachlichem und praktischem Wissen in den Kitas. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, ist es, frühe kulturelle Bildung bereits in der Ausbildung den künftigen pädagogischen Fachkräfte nahzubringen. So ist kulturelle Bildung zwar Teil der Erzieher:innen-Ausbildung, doch nicht immer werden Schwerpunkte auf die ästhetische Bildung und Praxis in der frühen Kindheit gelegt.
Die Berta Jourdan Schule (Frankfurt am Main) und das Gisbert-von-Rombert-Berufskolleg (Dortmund) probieren eine andere Herangehensweise. „Ziel ist es, frühkindliche kulturelle Bildung in unserer Schule noch stärker zu verankern und auf die ganze fachliche Ausbildung zu beziehen“, sagen Ele Möller-Janik, Susanne Riegelmann und Kristina Seum. Die drei sind Mitglieder der neugegründeten AG Frühkindliche kulturelle Bildung an der Berta Jourdan Schule. Das warum ist für sie klar: „Für uns ist frühkindliche kulturelle Bildung das Herzstück unserer Pädagogik, denn das Weltentdecken, die handelnde Auseinandersetzung mit der Umwelt und die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen sind für Kinder ein wesentlicher Baustein für Lernen und ihre Persönlichkeitsentwicklung, um mündige Bürger:innen zu werden“, so die Pädagoginnen.
„Für uns ist frühkindliche kulturelle Bildung das Herzstück unserer Pädagogik.“
Ele Möller-Janik, Susanne Riegelmann und Kristina Seum / Berta Jourdan Schule
Kindern Raum geben
Auch Ingo Schwenken vermittelt frühkindliche kulturelle Bildung an junge Menschen in der Erzieher:innen-Ausbildung. Er unterrichtet am Gisbert-von-Rombert-Berufskolleg unter anderem das Wahlfach Kulturelle Bildung. „Es ist wichtig, diese Schulform mitzudenken, wenn es um die Gestaltung von Bildungsprozessen geht“, meint Ingo Schwenken. So machen allein am Gisbert-von-Rombert-Berufskolleg rund 400 Menschen eine Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft. Auch Schwenken ist von der Bedeutung der frühkindlichen kulturellen Bildung überzeugt. „Wenn wir den pädagogischen Ansatz ernst nehmen, vom kompetenten Kind ausgehend unsere pädagogische Arbeit zu gestalten, kommen wir an frühkindlicher kultureller Bildung nicht vorbei. Das heißt auch, dass wir den Kindern Raum geben müssen, sich in den verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen zu erproben und auszuleben“, sagt er.
Was das konkret bedeutet? Die Auszubildenden lernen jungen Kindern den vielfältigen Möglichkeitsraum ästhetischer Bildung und Praxis zu eröffnen und sie zu begleiten – etwa in dem sie gemeinsam singen, tanzen, Theater spielen oder einen Film drehen, erklärt Ingo Schwenken. Das Stichwort dabei: Selbstwirksamkeit – der Kinder und der Erzieher:innen in Ausbildung. „Wenn ich selbst erlebe, wie in einem kreativen Prozess eine Geschichte entsteht oder ich mich als Teil einer Tanzchoreographie erlebe, gemeinsam Musik mache, obwohl ich mich immer zur Fraktion ‚unmusikalisch‘ gezählt habe, wird mich das positive Erleben dieser Prozesse sehr wahrscheinlich mehr motivieren, Kindern solche Erfahrungen zu ermöglichen, als wenn ich einen Text über die Bedeutung der frühkindlichen kulturellen Bildung lese“, sagt Lehrer Schwenken.
Ele Möller-Janik, Susanne Riegelmann und Kristina Seum sehen das ähnlich. „Die Studierenden sollen leibhaftige Erfahrungen machen, die sie an die Kinder weitergeben“, erklären die Pädagoginnen der Berta Jourdan Schule. So ergänzen praktische Erfahrungen die didaktischen Interaktionsprozessen, etwa mittels Walderfahrungen, Konzerten, Exkursionen, Weiterbildungsformaten oder ästhetischer Forschung. „Es ist wichtig, dass die angehenden Erzieher:innen die Bedeutung von sinnlichen Erfahrungen, den Dialog mit der Welt als Ausgangspunkt von Lernen selbst erfahren. So werden sie nicht zu ‚Erklärer:innen‘ sondern zu Fragenden, nehmen das Bild vom Kind als Gestalter seiner Lernprozesse ernst und erforschen gemeinsam mit den Kindern, das, was den Kindern und den Erwachsenen als wichtig erscheint“, berichten die Lehrinnen.
„Wenn wir den pädagogischen Ansatz ernst nehmen, vom kompetenten Kind ausgehend unsere pädagogische Arbeit zu gestalten, kommen wir an frühkindlicher kultureller Bildung nicht vorbei.“
Ingo Schwenken / Gisbert-von-Rombert-Berufskolleg
Kreativität ist das Stichwort
Darüber hinaus werden Kooperationen mit Kitas, die sich für die frühkindliche kulturelle Bildung interessieren, entwickelt, sodass „Triaden von Ausbildungsschule, Kulturorten und Kindern (Einrichtungen) entstehen“, erklären Möller-Janik, Riegelmann und Seum. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit der Berta Jourdan Schule mit der Kita Grüne Soße. „Regelmäßig besuchen unsere Studierenden die Kita und erleben dort kulturmediale Inputs, die sie in ihre Einrichtungen tragen. Gleichzeitig ist die Kita Grüne Soße Partner des Deutsches Filminstitut & Filmmuseum mit dem Minifilmclub, ein Angebot der filmästhetischen Bildung mit Kindern für interessierte Kitas. Jährlich nehmen unsere Berufspraktikant:innen-Gruppen an einer filmkulturellen Fortbildung im DFF teil, die auch von der Kita Grüne Soße mitgestaltet wird“, fassen die Pädagoginnen die Triade zusammen.
Frühkindliche kulturelle Bildung in der Erzieher:innen-Ausbildung erweitert die Horizonte der Auszubildenden beachtlich. Unterricht im musisch-ästhetischen Bildungsbereich, Kulturkooperationen sowie eigene kreative Projekte und Prozesse sind jedoch nur einige Möglichkeiten, wie frühkindliche kulturelle Bildung für die Auszubildenden erlebbar gemacht werden kann. Kreativität ist dabei das Stichwort, so Ingo Schwenken vom Gisbert-von-Rombert-Berufskolleg. „Kulturelle Bildung hat ganz viel mit Kreativität zu tun. Und Kreativität ist etwas, was uns Menschen auszeichnet: Etwas Neues schaffen, Herausforderungen meistern, indem mögliche Lösungswege gesponnen werden, sich von Unbekanntem und Neuem inspirieren lassen“, sagt der Lehrer.